Es ist ein radikales Konzept.
Einen Meister zu haben.
Radikal deswegen, weil in unserem Kulturkreis alles getan wird, die Unterwerfung unter einen Menschen zu verhindern.
Unter Gott geht OK, aber nicht unter einen Menschen.
Warum, liegt auf der Hand. Wir wollen nicht mehr die Erfahrungen von 1945 machen.
Das ist gut so.
Diese Erfahrung ist es, die uns von Asien grundlegend unterscheidet.
Speziell Japan.
Eines Abends, besser gesagt Nachts, nach einer großen Flasche Sake fragte ich meinen Meister:
„Die japanische Mentalität ist unmöglich mit der europäischen zu vereinbaren. Wir haben aus der Geschichte gelernt, dass ein Kompromiss ein gemeinsames aufeinander zu bewegen bedeutet.
Das bringt aber auch mit sich, dass wenn zwei Menschen einen Kompromiss eingehen, das Umfeld dementsprechend geändert wird. Beide einigen sich auf ein new set of rules.
In Japan hingegen, geht niemand aufeinander zu und unterwirft sich immer demselben set of rules.
Warum?“
Das ist dann der Moment wo mein Meister seine Hände verschränkt, den Kopf zur Seite dreht und „Hmmmmmmm“ sagt.
KEIN Gutes Zeichen.
Da heißt es nur WARTEN.
Und besser den Mund halten.
Eines können Japaner gar nicht leiden, ihr System zu hinterfragen.
(Ich denke mir, können wir es ertragen? Bei uns hat jeder sein eigenes System, denken viele. )
Aber dann bekam ich eine Antwort: „That is because we live on an island“
AUS, nicht mehr.
Ok nun habe ich meine Hände verschränkt. Den Kopf gedreht und gar nichts gesagt.
Ratter Ratter ….
Er gewährte mir noch mehr insight.
„We can not run away. We have to stick together. Over hundreds of years our experience showed that to fight each other is useless. So we have very basic and therefore strong rules.
They can not be changed.“
Man sollte wirklich sehr lange und sehr tief über diese Aussage nachdenken.
Die Antwort ist so simpel, aber auch so tiefgreifend.
1) trifft mein Meister eine Aussage über sein Land und sein Volk und nicht nur über sich selbst
2) zeigt diese Antwort, dass er über meine Frage tief nachgedacht hat
3) erklärt er eine Mentalität, seine eigene auf objektive Art und Weise
4) das Faktum, dass er es mir, als Ausländer, erklärt zeigt Offenheit
Und dieser vierte Punkt macht meine Grundfrage falsch.
Dieser vierte Punkt ist die Änderung der Regeln.
Ein Meister geht auf seine Schüler insofern ein, als dass er versucht, seine Gedanken mit denen des Schülers zu verbinden.
Eine Zusammenarbeit.
Meister, die wollen, dass nur ihre Gedanken akzeptiert werden sind keine.
ABER Schüler, die nur ihre Gedanken durchbringen wollen sind eben auch KEINE Schüler.
Es ist ein moderner Trend geworden, das Unwissenheit in Forderung umschlägt.
Patienten kommen zu ihren Ärzten und sagen diesen, wie Sie (die Ärzte) ihn (den Patienten) behandeln sollen, weil es im Internet so stand.
Schüler kommen und wollen von mir, dass ich eine 800 Jahre alte Tradition ändere, damit Sie besser und schneller vorankommen.
Und das OHNE den Sinn und die Erkenntnis dieser langen Zeit zu hinterfragen und durch zu denken.
Deswegen findet man in fast jeder Biographie im Internet bei den „Meistern“ den oder einen ähnlichen Satz „machte sich selbständig und gründete seine eigene Schule“
Es empfiehlt sich immer die Biographien zu durchforsten.
Aber wer macht das schon? Viele kommen ja mit ihren eigenen Vorstellungen von Kampfsport oder Kampfkunst in ein Dojo.
Fordern vom Lehrer auf ihre Art einzugehen und verschwinden dann wieder und gehen zum Nächsten.
Das kann mitunter auch Jahre dauern, aber das wahre Wesen eines Menschen kommt immer ans Licht.
Deswegen empfinden viele ZEN und den japanischen Zugang als unangenehm.
Ich lernte von meinem Meister ein Spiegel zu sein. So wie er es bei mir ist.
Bujutsu betreibt jeder selbst. Es geht um die Wahrhaftigkeit des Trainings.
Das heißt dem Lehrer zu vertrauen und es ihm gleich zu tun.
Wenn ich meinen Meister sehe, dann versuche ich seine Bewegungen zu imitieren. Kein Gedanke „für mich wäre es besser so…“
Und jedesmal wenn ich einen „hint“ bekomme habe ich Vertrauen genug, dass er mich in die richtige Richtung führt.
Es ist diese die einzige Methode herauszufinden, ob man einen Weg gehen will oder nicht.
KOPIEREN Sie die Bewegungen ihres Lehrers.
DANN wissen Sie sofort, ob er was drauf hat, dann wissen Sie sofort, ob nur geredet und nicht gekonnt wird.
Die einzige Sprache im traditionellen japanischen Bujutsu ist die Sprache des Körpers.
Einst hatte ich einen Schüler, der meinte er müsse bei einer Prüfung vorschreiben wie er selbst zu beurteilen sei.
Als Maß wurde heran genommen wie lange er schon dabei war, wie viel er schon trainiert hätte usw.
Alles Argumente des Geistes.
Der Körper sprach eine ganz andere Sprache. Die Prüfung wurde von den drei Prüfern einstimmig abgelehnt.
Es ist dies die ständige Krux im Westen.
Wissen wird mit Können gleichgesetzt.
Die Sprache des Geistes ist das Wissen.
Die Sprache des Körpers ist das Können.
In Japan traf ich einst einen Lehrer aus Brasilien. Selbst Jujitsu Landesmeister aber noch sehr neu im Takeda Ryu.
Mein Meister war bei der Diskussion anwesend.
Auf meine Frage ob er glaube diese Technik zu beherrschen antwortete er „bis jetzt hat Sie immer funktioniert“.
Worauf ich antwortete „Das heißt es kann eines Tages jemand kommen und die Technik wird nicht mehr funktionieren“
Sinn ist es aber eine Technik so zu lernen, dass Sie IMMER funktioniert.
Einst hatte ich Besuch im Dojo. Eine Jujitsu Schülerin.
Wir übten eine Technik und ich stieg aus der Technik aus. Ich bat Sie auf diese Möglichkeit des Verhinderns Rücksicht zu nehmen.
Sie antwortete „Wir gehen bei uns nicht davon aus, dass jemand soviel von einer Technik versteht.“
Derselbe Zugang.
Wie fatal!
Am Schlachtfeld musste der Samurai 100%tig auf seine Techniken vertrauen.
Dieser Zugang zeigt kein Vertrauen in die Technik und direkt auch keine Qualität des Lehrers.
Vertrauen in sich selbst.
Vertrauen in den Meister.
Und den Anspruch an Perfektion machen das Dreiergespann eines Schülers aus, der Meister werden kann, wenn Sie/Er es will.
Vertrauen in sich selbst deckt jeden Scharlatan unweigerlich auf.
Vertrauen in den Meister macht es möglich diesen zu kopieren und selbst einer zu werden.
Der Anspruch an Perfektion kommt nach langer Zeit des Trainings zu Tragen, wenn der Schüler selbst zum Meister wurde und so die Schule in das neue Jahrzehnt führt.