Gerade habe ich einen großen Topf Reis hingestellt. Besser gesagt, ich habe den Reiskocher angeworfen.
Mein Sohn bekommt heute den Sensei-Reis, eine Spezialität deren Geheimnis hier nicht ausgeplaudert werden darf, ansonsten ein Shuriken in Ihr Eigenheim fliegen müsste, um dieses „Hiden“ ( nur mündliche Überlieferung ist möglich) an seiner Veröffentlichung zu hindern.
Die Dame des Hauses bekommt heute von mir O-nigiri. Die Reisbällchen.
Und während ich da so stehe und den Reis wasche, komme ich in Gedanken. Es waren ja schließlich die O-nigiri, die meine Ehefrau vor langer Zeit dazu überredeten, sich doch länger als einen Abend meiner Wenigkeit zu widmen. (Jaja Liebe geht schließlich durch den Magen)
Und genau diese O-nigiri hat mir Hisako-san in Japan beigebracht.
Hisako san, langährige Schülerin von Toyoshima sensei und heute Assistentin des Bürgermeisters von Saitama.
Damals 2006 also vor mehr als zehn Jahren.
Ich neu und keine Ahnung was das sein sollte, machte ihr einfach alles nach.
Japanisch konnte ich auch nicht, also blieb mir gar nichts anderes übrig.
Schön sind sie ja nicht, aber die schmecken heeerrrlich, „oishiiiiii“ (=> jap. guuuuuuut)
Aber seitdem hat sich ehrlich gesagt nicht viel geändert. Wenn ich etwas lernen will, dann mache ich es zuerst nach.
Ich mache.
Nein, ich lese nicht, ich denke nicht, ich mache. (OK, beim machen denke ich schon, aber der Punkt ist ich verharre nicht in Bewegungslosigkeit, erstelle in meinem Gehirn einen Masterplan, um dann zurück auf Erden zu meinen etwas zu können.)
Vielleicht haben wir da ja unser heutiges Problem? Und da ein Problem ja nur eine auf den Kopf gestellt Lösung ist auch dieselbige?
Wenn ich etwas Nachmache, dann brauche ich jemanden, der mir etwas VOR-macht.
Wenn ich über etwas Nach-denke, dann muss ich es vorher schon gemacht haben.
Aber wer macht denn heute noch etwas vor? Wer stellt sich hin und tut, zeigt, mit Körper, Fingern und so weiter.
Wer erzählt mit seinen verschlissenen Händen, seinen narbigen Fingern noch die Geschichte der Kunst, die sie oder er praktiziert?
Heute will jeder viel haben, viel wissen und nichts können. Alle wollen Geld, Ruhe und Zufriedenheit aber keiner MACHT etwas dafür, jeder DENKT ausschließlich. Die Meinung einem anderen via Facebook zu geigen, scheint auszureichen.
Generation „WHAT“ interessiert sich laut der jüngsten Studie an einer Million Jugendlicher gar nicht mehr dafür, ob eine Medienmeldung wahr ist oder nicht. Hauptsache sie gefällt.
In Wien fehlen 1400 Köche, in Österreich über 10.000! Kann man sich das vorstellen?
In der aktuellen PISA Studie stinken unsere Kinder ab, dass es ärger nicht mehr geht. Aber wie geht das? In meinem Umfeld lernen die Gymnasiasten ja sogar die Volksschüler beinahe rund um die Uhr, bringen es aber offensichtlich nicht auf die Straße.
Ja wie gibt es das? Wie kann das sein?
Vielleicht weil lernen als nicht körperliche Handlung missverstanden wird?
Weil vielleicht so viele Eltern selbst nie durch nachmachen gelernt haben, sondern nur durch auswendig lernen?
Vielleicht weil sich niemand mehr die Zeit nimmt mit den Kindern in den Park zu gehen, eine Blüte anzusehen, um ihnen zu erklären, dass Fibonacci eine mathematische Folge in der Anordnung der Blüten gefunden hat, weil er die Welt mit der Mathematik erklären wollte?
Weil vielleicht fast niemand ( 😉 ) seinen Kindern einen Ball in die Hand gibt und diesen gegen die Wand werfen und fangen lässt und sie dabei mathematische Fragen stellt, die potz-plitz genau so schnell beantwortet werden, wie der Ball fliegt?
Weil vielleicht die Eltern lieber dem Kind das Smartphone in die Hand drücken, anstatt sich selbst um das Juwel zu kümmern?
Weil vielleicht Bücher nicht mehr in die Hand genommen werden, und das Kind kein haptisches Gefühl dabei mehr empfindet?
Weil seit längerem Philosophie nicht mehr am Stundenplan steht und ein 19 Jähriger nicht mehr weiß, wer Aristoteles, Platon oder gar, welche radikale Annahme, Kant, Nietzsche oder Sir Bertrand Russel sind?
Jetzt sind es wieder die Lehrer. Natürlich stimmt etwas nicht in der Struktur des österreichischen Bildungssystems. Wir haben das Teuerste und produzieren die schlechtesten Schüler.
Aber das nimmt uns nicht die Pflicht VOR-bilder zu sein, denn an einem VOR-bild wird VOR-gemacht.
Damit die Kinder und auch Erwachsene NACH-machen können.
Jüngst traf ich so einen Mit-zwanziger, der der Meinung war die Welt müsse sich ihm unterordnen. Alles, der Job, die Beziehung, die Verwandten, alle müssten sich seinem Wunsch nach Freiheit unterordnen. Auf die Frage, wer denn seine Vorbilder seien kam die entrüstete Antwort, KEINE.
Was soll man da noch sagen?
Wer keine Vorbilder hat verläuft sich in Hochmut und Egoismus, denn es ist ein psychologisches Faktum, dass der Mensch, als Lebewesen Vorbilder benötigt.
Erziehung, Sprache, Gruppendynamik, alles das funktioniert nur mit Vorbildern.
Aber kaum ist das System verlassen scheint sich selbst jeder zum eigenen Vorbild zu werden.
Und damit hört jede Kommunikation mit der Außenwelt auf.
Damit gibt es keinen Zusammenhalt mehr, damit kann keine Blume der Liebe oder der Freundschaft erwachsen.
Nun gut ich stelle mich hin und sage euch, ich bin froh eine Ehefrau zu haben, die mir in so vielem Vorbild ist.
Ich bin froh einen Sohn zu haben, der mir und dem ich Vorbild sein kann.
Ich bin stolz zu behaupten einen Meister zu haben, dem ich Alles nachmache so gut es geht.
Und?
Wem machen Sie heute etwas nach?
An welcher Handlung orientieren Sie sich jeden Tag?
Wer erweitert ihren Horizont mit seinem Tun?
Handeln Sie schon, oder Denken Sie noch?