… über Tradition

Ist es nicht ein wenig seltsam, wenn zwanzig bis dreißig Jährige von Tradition sprechen? So wie auch ich es tat, in diesem Alter.
Wenn jemand sein Studium erklärt und dabei auf „traditionelle“ Methoden referenziert, die es, als ich so alt war, noch gar nicht gab?

Tradition, was ist das eigentlich?

Ich verstehe mich als Traditionalist, weil ich eine uralte Kampfkunst praktiziere. Sogar ich merke Veränderungen, die vorgenommen werden, um es den neuen Generationen einfacher zu machen, als ich es hatte.
Ich merke, dass die Härte und das Durchhaltevermögen von früher der „Work Life Balance“ gewichen sind. Es gibt keinen Nutzen mehr sich für eine Sache, eine Idee oder einen anderen Menschen aufzuopfern.
Dafür haben wir das Computerzeitalter eingeläutet mit Robotern, die uns die Arbeit, Youtube die Erfahrung und Facebook die zwischenmenschliche Kommunikation abnehmen.

Tra­di­ti­on, die

Wortart INFO

Substantiv, feminin

Häufigkeit INFO

So sieht es der Duden.

Ich denke wir erleben heute einen Umbruch. Die Digitalisierung hat uns der Möglichkeit an Weitergabe von Verhaltensweisen, Ideen und dergleichen beraubt. Im kleinen Konstrukt der Familie, des weit gesteckten Freundeskreis blieben Ideen und Kultur weitest gehend in einer Blase.

Diese Blase gibt es nicht mehr. Youtube erklärt alles, was man will. Kultur, Ideen und Verhaltensweisen werden aus dem Internet weiter gegeben.
Der Seher hat keine Möglichkeit mehr die Aussage auf Legitimität oder Erfahrung zu überprüfen. Der Interessierte Mensch kann NUR mehr glauben oder nicht.

Der Wahrheit, die es immer gibt, wurde die Antithese „fake news“ gegenüber gestellt. Wir haben mit „alternative facts“ einen prinzipielle Gegenwahrheit geschaffen. Der Grund warum es ausreichend Idioten gibt, die an eine flache Erde glauben.

Wissen wird heute nicht mehr als Resultat einer längeren Arbeit angesehen. Wissen und Erfahrung sind heute nicht mehr aneinander gekoppelt, was bis zur Digitalisierung Usus war.

Aber, was wenn die heutige Tradition genau die ist, die ich beschrieben habe?
Wir Alten werden nicht mehr als Wissensträger wahrgenommen, weil wir es in heutigen Zeitalter auch nicht mehr sind. Was muss man den heute alles wissen?
Wie sinnvoll ist es einer alten, nicht mehr existenten Tradition nach zu hängen, wenn diese sich beinahe nicht mehr in der heutigen Gesellschaft abbildet?

Ich meine sehr sinnvoll.

Die Tradition der Dankbarkeit gegenüber dem, was man hatte, würde mehr Verständnis zur Umwelt und zur Lösung beitragen.
Die Tradition des Lernens würde der Ignoranz gegenüber Anderem den Rang ablaufen und in Neugier münden.
Die Tradition des Übens würde den Respekt und das Verständnis von einer Zeitdauer bis zum meistern einer Aufgabe fördern.

Was ist das für eine Zeit, in der als „neues“ Konzept, die Weitergabe alter Kleidung an bedürftige Menschen postuliert wird.
Was ist das für eine Zeit, wenn in einem erste Welt Land wie Österreich 17% der Bevölkerung Analphabeten sind?
Was ist das für eine Zeit, in der Lernen nicht mehr der Selbstfindung dient sondern nur mehr wirtschaftlich orientiert ist?

Ich als konservativer Traditionalist weiß, daß die wichtigste und unumstößlichste Kraft für den Menschen die Veränderung ist.
Ohne Veränderung gibt es kein Leben.
Veränderung ist Tradition!

Während ein Traditionalist im humanistischen Sinne dieses Faktum akzeptiert, wäre es vielleicht heute notwendig, dass der moderne, junge und vor Kraft strotzende Mensch auch die Sicht nach hinten als Möglichkeit akzeptiert.

Ein Stier, der nur vorwärts läuft verirrt sich.
Einer der nur stehen bleibt, stirbt.
Wenn Buddha von der Erleuchtung als Stier spricht, den man bändigen muss, und am Schluss er auf demselben reitet, ist das vielleicht ein Bild, das man als Vision annehmen kann.

Der Stier ist die Tradition, auf Ihr zu reiten wäre vielleicht gar keine so schlechte Idee.