2020

Empathie ist Vergangenheit und Zukunft

So, nun auch ich. Vielen Menschen wir es wie mir gehen, durch Schreiben Dinge zu verarbeiten. In sich selbst zu ordnen und in einen Speicher ablegen, mit der Aufschrift „Dinge, die ich nicht mag, aber vielleicht irgendwann wieder als Erfahrung gebraucht werden können.“

2020 war so ein Jahr. Erstmals in der Geschichte ist die Welt mit einem Problem global befasst, dass niemand in seinem Speicher als Erinnerung abrufen konnte, weil zu lange her. Niemand auf der Welt konnte seine Erfahrung zu einer Pandemie einbringen.

Die letzte Große Pandemie lag nämlich über hundert Jahre zurück. Von diesem Standpunkt aus sind die Menschen, die sich diesem Problem stellen mussten wie Kinder zu betrachten.
Kinder, die in einem neuen Feld ihre ersten Erfahrungen machen. Und ja, wie Kinder haben sich die meisten benommen. Wenn wir Laien, die nicht in Medienunternehmen arbeiten, uns einer Sache annehmen, dann passiert das meist rein emotional.

Wir sind keine Politiker und keine Richter, Emotion so wie wir sie verstehen ist unser moralischer Kompass. Ja und ich stehe dazu, dass die meisten so wie ich, eigentlich Moral meinen, wenn sie von Emotion sprechen.
Und wenn es um Moral geht, dann versteht jede etwas anderes darunter. Da spielt dann schon mit WO man aufwächst, WIE man erzogen wurde und WAS man alles durfte.

So gesehen sind heuer Kulturen, Mentalitäten und Völker aneinander geklatscht worden, die vorher eigentlich nichts miteinander zu tun hatten. Rein emotional, rein lokalabhängig, rein wissenstechnisch. Wir in Europa haben Brasilien und die USA als Negativbeispiel serviert bekommen, obwohl Schweden denselben Weg ging. Wir konnten unseren antrainierten Hass auf China in dem Faktum, dass dort der Virus seinen Ausgang nahm, channeln und auf wienierisch mit „eh kloar“ abstempeln.

Und als dann der Anschoberfetzn zum Designerobjekt des Jahres wurde, haben wir uns vereint gefühlt in der Sicherheit, die wir alle brauchten, dass wir nicht alleine waren. Ich glaube, erstmals haben wir uns deswegen nicht so einsam im Lockdown gefühlt, weil wir wussten es geht anderen genau so.

Jedes Gespräch, egal wann, egal wo führte nach wenigen Minuten unweigerlich zu dem Thema Corona. Und jeder mit dem ich sprach hatte irgendetwas verloren.
Geld, Kunden, Freiheit, Recht, Platz, Motivation, Freunde, Meinungen, sich selbst.

So konfus die ersten Wochen im März waren, so klarer stehen wir heute und in Zukunft dar. Als wäre ein riesengroßes Tuch von der Welt genommen worden. In aller Klarheit wurde uns vor Augen geführt, wie die Welt funktioniert. Und manche scheinen aus den Augen verloren zu haben, dass dieses Jahr die Welt nicht von Reichen und Armen geführt wurde, sondern von Trotteln und Gescheiten.
Sprechen wir von politischen Führern, dann treffen alle Blondinenwitze der letzten 30 Jahre auf die beiden mit Sicherheit zu. Und den Brasilianer gebe ich die Haarfarbe dunkelblond.
Ansonsten habe ich es mir zur Gewohnheit gemacht, die Aluhutfraktion striktest aus meinem Freundschaftskreis zu eliminieren.

So viele wurden Statistiker, Virologen, Epidemiologen und haben die Welt mit ihrem Sermon unsicher und instabil gemacht.
Die wirklichen Wissenschaftler wurden zu Superstars, und merken gar nicht, dass Sie zu der Verwirrung erst so richtig beigetragen haben. Wenn ein Virologe sagt :“ Ich bin kein Politiker, aber …“ dann war das der Satz, mit dem wir uns alle sofort identifizierten und egal was der jetzt sagte, wir haben es geglaubt.

Hat aber jemand gesagt „Ich BIN Politiker …“ dann kam Augen verdrehen und abwinken. „Bledsinn“ war dann die reflexartige Antwort.

Wir haben viel über Verfassung und Föderalismus gelernt. Die Pandemie hat die Unfähigkeit vieler Lokalpolitiker bloßgestellt. Was noch viel schlimmer war, die Unkenntnis wie Österreich rein technisch, also rechtlich funktioniert.
Zuerst fährt die Bundesregierung mit Notverordnungen über das Land. (März)
Alle regen sich auf.
Dann erlässt das Parlament auf Vorlage der Bundesregierung ein Maßnahmengesetz (Juni – Juli), in dem klar geregelt wird, dass die Bundesländer SELBSTSTÄNDIG weitere Maßnahmen erlassen können.
Und!, daß das Contacttracing in der Bezirksverwaltung liegt, weil anzunehmen ist, dass die Bürgermeister mehr Personen in einer Stadt kennen, als der Virenfuzi in Wien.
So steht es im Gesetz, dem jede Partei, im Parlament zugestimmt hat.
Und was ist passiert? Nix

Wie die Wiener zu sagen pflegen „Und jetzt räahns olle!“
Nachdem wir gelernt haben, dass Bill Gates die Welt regieren will, Corona gar keine Pandemie ist, Politiker ihre Macht zementieren wollen, hab ich mir gedacht, „was soll ich meinem Sohn erklären?“

Soll ich ihm sagen, dass diese Vollidioten, die mit fremden Leben spielen zu verachten oder zu bemitleiden sind? Dass jeder, der die Regierung für Versagen verantwortlich macht, zugibt selbst versagt zu haben? Denn es ist nicht die Regierung die täglich tausende Neuansteckungen zu verantworten hat, es sind diese Menschen selbst. Diejenigen, die auf die Vorgaben einfach scheissen.

Neulich fragte mich ein Schüler „Wie geht das? Wir sind im Lockdown und noch immer gibt es so viele Neuansteckungen? “ Es ist vollkommen klar, dass die Regierung den 30 Kids in Speising gesagt hat sie sollen eine Party feiern, oder in Innsbruck ein Festel machen, weils ja eh wurscht ist.

Der Kindergarten des letzten Jahres hat mir eines klar gezeigt. Es lässt sich ganz klar sagen, Empathie ist abgeschafft. „Liebe deinen nächsten“ wurde ersetzt durch „Liebe dich selbst“
Schlecke Klobrillen im Flugzeug ab und poste es auf Instagram, damit Du mehr likes bekommst.
Nenne alles wofür du simpel zu deppert bist „fake news“.
Glaube nichts was in den Nachrichten kommt, sondern alles auf Youtube.
Alles nur, damit diejenigen die posten, tiktoken, sharen, liken und instan, mehr Kohle aus Deiner Dummheit generieren können.

Und während ich schön langsam in der Verzweiflung versinke, mich frage, ob das jemals wieder aufhört, ich mich aus Selbstschutz in eine Blase zurückziehe, weil meine humanistische, lebensbejahende, positive Einstellung zur Erde, Natur und dem Menschen zu verbrennen scheint, fallen Schüsse.
1 Kilometer entfernt.

Das Kind spielt am PC. Bekommt also nichts mit. Wir sitzen vorm Fernseher, als das erste Spruchband unten eingeblendet wird.
Während meine Frau noch „WAS?“ fragt, verdrehe ich die Augen und sage „Oida, net des a no“
Mein zweiter Gedanke ist, ich muss verhindern, dass mein Sohn das aus dem sinnlosweb erfährt.
Also nehme ich ihn zur Seite und starte mit „Alles ist in Ordnung, Du bist sicher, wir passen auf dich auf, es hat einen Terroranschlag gegeben.“
Anfangs denke ich mir, wow, er hat es gut genommen, aber diese Nacht wird damit enden, dass ich mir mein Schwert hergerichtet habe, meine Familie im Kinderzimmer schläft, während ich die ganze Nacht fernschaue und die Hubschrauber über uns ihre Kreise ziehen.

Der nächste Morgen beginnt schweigend. Kaputt von der Nacht voll mit Adrenalin, wird die Welt plötzlich noch kleiner. Die Welt ist für die nächsten 48 Stunden nur mehr Wohnung.

Und während wir uns alle darauf verlassen, dass die Polizei die Situation bereinigt, steigen die Zahlen.
Weiter und Weiter…
„Jeder Mensch, der jemand anderen gefährdet, weil ihm der andere wurscht ist, schießt“, denke ich mir.

Geschehnisse beginnen sich im Kopf zu vermischen. Und während die Enge beinahe unerträglich wird, die Sorge für die Zukunft meines Kindes die Träume beginnt zu bestimmen, melden sich unsere Eltern.

Jeden Donnerstag gibt es eine Tour zu beiden. Die einen bekochen uns, die andere gibt uns zu trinken.
Brot und Wein könnte man sagen.
Es dauert einige Zeit, ein paar Wochen, bis wir merken, wie wir nach diesen Treffen immer ruhig wurden.
Wir konnten Angstfrei ein paar Stunden schlafen.
Ein Gefühl, dass ich dachte, aufgrund der ganzen Scheisse, die passiert war, verloren zu haben tat das, was solche sanften Gefühle eben tun.
Langsam, stetig zurück zu kommen. Die Wärme der Familie, die Gelassenheit der Alten, Ruhe „hey lange nicht mehr gesehen“. Alles das kam wieder zurück.

Ich habe in dieser Zeit mehr von unseren Eltern gelernt, als von jedem wissenschaftlichen Magazin, Doku oder Buch.
Wärme, Gelassenheit und Liebe, ist erarbeitet und überstanden. Das hat man nicht automatisch sein ganzes Leben lang, wie man ja bei den Idioten, die noch immer nicht verstehen, was vor sich geht, sehen kann, sondern es muss erarbeitet und bewahrt werden.
Und das können nur wir selbst.

Danke an unsere Eltern, die wieder einmal gezeigt haben, dass Stille, Zurückhaltung und Gelassenheit das einzige Rezept gegen den Wahnsinn da draußen sind.
Unsere Eltern haben GETAN und nicht GESCHRIEN.
Schreien tun eben nur Kinder, …
Auch ich habe geschrien.

Das änderte sich dann.
Heute am Ende des Jahres schreie ich nicht mehr. Weihnachten haben wir getestet gefeiert. Es war wunderbar. Die Zahlen steigen weiter. Die Schilifte werden gestürmt, die Liftbetreiber nehmen auf das Leben keine Rücksicht, genauso wie jeder, der einen Lift benützt.

Wer nicht auf seine Gewohnheit verzichten kann, wir an dieser zugrunde gehen.
Das wussten auch schon die alten ZEN-sepperln.

Entscheidungen fallen Ende des Jahres einfacher. Die Grundlagen sind einfacher. Vielleicht ist es das Alter, oder das, was ich von den Alten gelernt habe.
„Schuster bleib bei deinen Leisten.“

Ich bin kein Virologe.
Ich bin kein Epidemiologe.
Ich bin kein Politiker.
Ich bin kein Polizist.
Ich bin kein Terrorspezialist.

Ich bin Vater.
Ich bin Ehemann.
Ich bin Lehrer.
Als wäre das nicht ausreichend genug.

Jeder soll das, was er ist, machen.
Und von den Alten habe ich gelernt,
Vertraue!
Jeder macht das was er/sie am besten kann, wenn er/sie nur weiß was das ist!

Ich habe es für mich herausgefunden.
Ihr sollt es auch tun.
Dann leben wir in Frieden, und in Gesundheit.

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